Strauchelnde Projektentwickler – eine Gefahr für Immobilienfonds? Nicht notwendigerweise!

10.04.2024

Projektentwicklungen sind eine wesentliche Stütze des Immobilienmarktes. Nicht nur, dass sie neue, zeitgemäße Angebote schaffen, sie leisten auch einen wesentlichen Beitrag bei der Städteentwicklung und bieten Anlegern die Möglichkeit, in die so begehrten Core-Immobilien zu investieren. Mit explodierenden Baukosten und steigenden Zinsen kamen jedoch die Immobilien-„Versorger“ in den letzten Monaten ins Straucheln. In den Medien liest man häufig von einer Pleitewelle. Ein Grund, den Markt einmal ein wenig näher zu beleuchten und Sorgen zu nehmen.

In Deutschland gibt es rund 28 000 Projektentwickler (Quelle: Listfix). Der Development Monitor von bulwiengesa erfasst rund 9400 Akteure und ermöglicht damit eine umfangreiche Auswertung des institutionellen deutschen Projektentwicklermarktes. Dort sind aktuell circa 8300 Projektentwickler mit der Planung, dem Bau und der Fertigstellung von insgesamt fast 20 000 Projekten beschäftigt.

Für Immobilienanleger sind Neubauprojekte dahingehend interessant, weil sie per Definition Bauqualität und ESG-Konformität erfüllen und – sofern die Lage stimmt – zu den Core-Immobilien zählen, um die in den letzten Jahren ein ausgeprägter Wettbewerb entstanden ist. Folglich standen Projektentwicklungen weit oben auf der Einkaufsliste der Investoren. Im Wohnimmobilieninvestmentmarkt erreichte der Anteil der Forward-Deals, mittels denen Anleger sich frühzeitig eine im Bau befindliche Immobilie sichern, 2022 laut RCA einen Rekordanteil von 30 %! Das ist vor dem Hintergrund, dass Neubauten gerade einmal einen Bruchteil des gesamten Immobilienmarktes ausmachen, beachtlich. Im langjährigen Mittel machen Fertigstellungen in den von dem Datenanbieter Property Market Analysis (PMA) abgedeckten 15 deutschen Märkten einen Anteil von gerade einmal 0,5 % des Wohnungsbestands aus. Deutschlandweit sind es bei 43,4 Mio. Bestandswohnungen Ende 2022 (Quelle: Destatis) und knapp 300 000 Fertigstellungen im selben Jahr rund 0,7 %. Ähnliche Zahlen gelten für andere europäische Wohnimmobilienmärkte. Ein Blick auf die sektorale Verteilung der Fertigstellungen unterstreicht, dass – neben der Nutzungsart Logistik – besonders viel im Wohnsegment gebaut wurde bzw. wird.

Quelle: bulwiengesa (Filter: im Bau und fertigstellt)

Vor dem Hintergrund der Beliebtheit von Investitionen in Projektentwicklungen, ist die „Gesundheit“ dieser Branche besonders wichtig. Eben jene Branchengesundheit wurde durch Inflation, explodierende Baukosten, gestiegene Finanzierungszinsen und zurückhaltende Banken – in Kombination mit erhöhten energetischen Anforderungen und regulatorischer Unsicherheit – deutlich in Mitleidenschaft gezogen. So verunsichern die Rückgänge in den Fertigstellungen (2023: -24 % zu 2022, Quelle: bulwiengesa) und Verzögerungen von laufenden Projekten – nach bulwiengesa 23 % – viele Marktteilnehmer. Schlimmer trifft es die, die auf Entwickler setz(t)en, die insolvent gehen. Nach bulwiengesa sind aktuell (Zeitraum 2023/2024) sieben große Projektentwickler insolvent, was wiederum 31 Projekte betrifft.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass sich der Markt mit Insolvenzen von Projektentwicklern konfrontiert sieht. So führte bspw. die Wiedervereinigung in den 1990er-Jahren dazu, dass am ostdeutschen Markt, angeheizt durch staatliche Subventionen, eine Art Goldgräberstimmung entstand, die dafür sorgte, dass sich die Bautätigkeit zwischen 1991 und 1997 verzehnfachte – trotz einer Bevölkerung, die in den Westen abwanderte. Als dann die Subventionen ausliefen und sich die Strukturschwäche Ostdeutschlands manifestierte, platze die Blase und es kam zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen im Bauhauptgewerbe ab Mitte der 1990er- bis in die 2000er-Jahre hinein.

Trifft einen Baubetrieb die Insolvenz, stellt sich die Frage, was mit den Objekten passiert, die noch nicht fertiggestellt sind. An sich ist es in Deutschland üblich, Raten nach Baufortschritt zu zahlen. Sollte das Projekt nicht fortgeführt werden können, sind bei einem Baustopp bereits erhebliche Kapitalsummen geflossen, die nicht immer zurückgezahlt werden können. Relativ entspannt können Käufer bzw. Anleger sein, die einen Forward-Kaufvertrag abgeschlossen haben. In diesem Fall erhält der Projektentwickler den Kaufpreis erst bei Fertigstellung des Objektes. In der Offenen Immobilienfondsbranche sind diese Forward-Kaufverträge die Regel. Somit können Anleger von Offenen Immobilienfonds Presseberichte über in Schieflage geratene Projektentwickler zwar interessiert, aber ohne Sorge verfolgen.

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