Eintracht macht stark

Die finanziellen Folgen eines Krieges brachten Abraham van Ketwich auf die Idee, einen Fonds aufzulegen.

Eigentlich hatte Abraham van Ketwich wenig mit dem Krieg zu tun, in dem sich Briten und Franzosen im späten 18. Jahrhundert zerschlissen, er selbst war Holländer. Doch den Kaufmann trafen die Auswirkungen: Er erlebte eine der ersten großen Finanzkrisen der Weltgeschichte. Das britische Königreich hatte sich für den Krieg, den es verloren hatte, hoch verschuldet. Das führte 1772/73 zum Kollaps einer Londoner Bank, der den Untergang weiterer Geldhäuser in England, Schottland und den Niederlanden nach sich zog. Und weil damals vorwiegend Kaufleute und Goldschmiede die Banken unterhielten, um sich das nötige Kapital für ihre Arbeit zu verschaffen, standen viele Bürger vor dem Ruin. So erfand der damals 31-jährige van Ketwich 1774 etwas, womit Privatleute fortan besser und risikoärmer ihr Geld anlegen konnten: den ersten Investmentfonds.

Die Idee war einfach: Van Ketwich sammelte von sehr vielen Menschen einen Geldbetrag ein, jeweils 500 Gulden, das entspräche heute rund 10.000 Euro. Insgesamt übertrugen ihm 2000 Anleger eine Million Gulden. Das Geld streuten dann zwei Investmentdirektoren über eine Vielzahl von Wertpapieren. Sie legten nicht nur in Staaten und Unternehmen in Europa an, sondern ebenso in den niederländischen Kolonien, in Mittel- und Südamerika. Der Titel des Fonds war Programm: „Eendracht maakt macht“, Eintracht macht stark. Das Papier wurde an der Amsterdamer Börse gehandelt.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es erst wenige Aktien, deshalb investierte der Fonds in festverzinsliche Papiere, etwa in braunschwei­gische Staatsanleihen, Unternehmensanleihen dänischer Banken, Schuldverschreibungen von Überseeplantagen und holsteinischen Zollstationen. Van Ketwich garantierte eine Mindestrendite von 4 Prozent, die das Papier auch kontinuierlich einfuhr. Die Kosten waren niedrig: 0,5 Prozent Ausgabeaufschlag und 0,2 Prozent Managementgebühr. Bereits zwei Jahre später legte van Ketwich einen zweiten Fonds auf, der 6 Prozent Rendite versprach und eine Laufzeit von 25 Jahren haben sollte. Es gab ihn bis 1893, also 114 Jahre lang. Zwei Grundsätze dieses Fonds gelten bis heute: Die Anlagerichtlinien wurden in einem gedruckten Prospekt festgehalten. Und das Geld sollte über möglichst viele Papiere gestreut werden, damit keine Einzelpleite je wieder einen Totalverlust für Anleger bedeutet. Damals kontrollierte van Ketwich die Einhaltung der Vorschriften selbst, heute wacht die Finanzaufsicht.

Autor: Melanie Kegel
Quelle: Swiss Life Blog
Fotonachweis: Vitaly_ph/iStock; Illustration: www.noamweiner.com

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