Im Gespräch mit Marc Brütsch: «Die Immobilie bleibt als Anlageform ein Favorit», Teil 2

Fortsetzung des Intervies mit Marc Brütsch, Chef Ökonom bei Swiss Life. Können wir mit einer schnellen Erholung der Wirtschaft nach 2020 rechnen? Oder wird uns die Niedrigzinsphase länger erhalten bleiben?

Wie sieht Ihre Prognose für die europäische Wirtschaft 2020 aus?

Wir sind hier als Swiss Life bei den Prognosen eher zurückhaltend. Aktuell erwarten wir einen Seitwärtsgang der Wirtschaft. Für 2020 gehen wir für Deutschland von einem Wirtschaftswachstum von rund 0,6 Prozent aus. Das Gesamtwachstum im Euro-Raum schätzen wir in den kommenden 12 Monaten auf etwa 0,9 Prozent.

Können wir mit einer schnellen Erholung der Wirtschaft nach 2020 rechnen?

Leider nein, die Schwächephase wird uns dieses Mal länger begleiten als beispielsweise nach der Finanzkrise 2008. Damals lief die Realwirtschaft grundsätzlich gut und in den Wachstumsmärkten sogar sehr gut. Gerade die Nachfrage aus China, Indien und Südamerika hat damals die Wirtschaft enorm gestützt und schnell wieder auf Kurs gebracht. Derzeit schwächeln allerdings gerade auch diese Wachstumsmärkte. Deshalb ist die Ausgangslage nicht zu vergleichen.

Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass wir in die gleiche Niedrigzinsfalle wie Japan fallen?

Zunächst, Länder mit dauerhaft sehr niedrigem Zinsniveau gibt es gleich mehrere. Sich hier immer auf Japan zu fokussieren trifft den Kern nicht ganz. Denn unsere Strukturen und die gesamte Ausgangslage ist anders. Die Niedrigzinsphase in Europa wurde maßgeblich durch die Probleme im Schuldendienst einiger europäischer Länder ausgelöst. Der Gedanke der Konjunkturförderung spielte im Gegensatz zu Japan beispielsweise nicht die alleinige Hauptrolle.

Die Niedrigzinsphase wird uns, wenn auch aus anderen Gründen, somit länger erhalten bleiben?

Mit Blick auf die Zukunft sehen wir zwar immer noch Handlungsmöglichkeiten für die EZB, um die Niedrigzinsphase zu beenden, derzeit halten wir aber den politischen Willen und die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten insbesondere der EU-Südländer für nicht gegeben. Damit bleibt uns die Niedrigzinsphase auf absehbare Zeit erhalten.

In welcher Verfassung geht Deutschland aus Ihrer Sicht in die aktuelle Wirtschaftsabschwächung?

Neben den bereits erwähnten Überkapazitäten in der Industrie, ist das Land vor allem stark abhängig vom Export. In guten Zeiten der Weltkonjunktur war das sehr hilfreich und die eher schwache Inlandsnachfrage wurde überkompensiert. Doch nun lahmt die Weltwirtschaft und das extreme Missverhältnis zwischen Inlands- und Auslandsnachfrage macht sich sehr stark bemerkbar.

Was bedeutet das für Deutschland?

Deutschland hat es einfach versäumt, rechtzeitig in den guten Jahren die Binnennachfrage spürbar auszubauen. Diese Versäumnisse werden sich schon in naher Zukunft an steigenden Arbeitslosenzahlen zeigen. Denn die deutsche Wirtschaft muss jetzt Ihre Kapazitäten an die sinkende Nachfrage anpassen und dafür wird es in der Industrie zu Entlassungen kommen. Im Risioszenario folgen die Dienstleister hier den Industriefirmen.

Welche Indices lassen auf diese Abschwächung schließen?

Neben dem ifo-Geschäftsklima-Index für den Dienstleistungsbereich, gibt es zur Feststellung der Nachfragesituation der Unternehmen insbesondere den EMI Einkaufsmanager-Index. Er zeigt seit rund 25 Jahren wie gut oder schlecht die Konjunktur in der Industrie läuft. Der EMI zeigt seit Januar 2019 einen Wert von unter 50 an und damit eine sinkende Industrieproduktion.

Die Wirtschaftslage ist angespannt. Gibt es aus Ihrer Sicht kurzfristige Linderungsmöglichkeiten?

Ja, kurzfristig kann immer die Fiskal-Politik eingreifen, um die Binnennachfrage anzukurbeln. Doch dann müssen wir auch über das sehr starre Festhalten an der schwarzen Null im Staatshaushalt sprechen. Es ist durchaus von Vorteil, die Staatsverschuldung nicht ausufern zu lassen und Deutschland hat sich für seine Schuldenreduzierung auch Lob verdient. Doch die Zeiten sind nun andere und der Staat wird nicht darum herumkommen, wieder mehr Geld zu investieren.

 

Marc Brütsch ist seit Abschluss des Studiums der Nationalökonomie und der Publizistikwissenschaften an der Universität Zürich für Swiss Life tätig. In den Jahren 1996 und 1997 lebte und arbeitete er in England. Anschliessend übernahm er die Verantwortung für die Konjunkturanalyse als Grundlage der gruppenweiten Anlageentscheide bei Swiss Life. Seit März 2000 bekleidet er die Funktion des Chief Economist von Swiss Life Asset Managers. Für die Jahre 2015 und 2017 zeichnete die Firma Consensus Economics in London ihn und sein Team mit dem seit 2013 vergebenen Gütesiegel «Forecast Accuracy Award» für die beste Prognose zur Konjunktur in der Schweiz au.

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